Die Zukunft liegt in der Vielfalt, in der Agrobiodiversität

Fahren wir heute übers Land, sehen wir meist riesige bewirtschaftete Flächen, die sich über mehrere Hektar hinweg erstrecken. Das Bild der deutschen Landwirtschaft ist geprägt von wenigen Kulturpflanzen: Darunter Mais, Weizen, Gerste, Raps, Kartoffeln und Roggen, sogenannte Cash Crops. Vor allem im Bereich Getreide haben sich ein paar wenige Sorten durchgesetzt und werden für die Lebensmittel- sowie Tierfutterindustrie in rauen Mengen produziert. Dabei gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Kulturpflanzen, die uns heute nur noch selten begegnen und die um ihre Existenz bedroht sind. Aber was bedeutet dieser Trend eigentlich für die Böden und die Zukunft der Lebensmittelproduktion?

Status Quo

Die sogenannte Agrobiodiversität, also die Vielfalt an Saatgut und Tierarten, ist vor allem in westlichen Ländern drastisch zurückgegangen. Seit den 1900er Jahren sind in etwa 75 Prozent der pflanzengenetischen Vielfalt verloren gegangen. Denn die Landwirte haben weltweit ihre vielfältigen lokalen Sorten und Landrassen zugunsten genetisch einheitlicher, ertragreicher Sorten aufgegeben. Heute werden 75 Prozent der Lebensmittel aus nur 12 Pflanzen und fünf Tierarten gewonnen. Dabei gibt es an die 300 000 bekannte essbare Pflanzenarten, von denen wir überhaupt nur um die 200 nutzen. Reis, Mais und Weizen sind für ganze 60% der Kalorien Zufuhr der Menschen weltweit zuständig.

Geschichtlicher Hintergrund

Über Jahrzehnte entwickelten sich landwirtschaftliche Nutzpflanzen mit einer enormen Vielfalt. Es herrschte vor allem eine regionale Vielfalt an Nutztierrassen und Nutzpflanzenarten. Die rasant wachsende Weltbevölkerung, sowie das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg führte zu einer intensivierten Landwirtschaft. Diese Form der Landwirtschaft beinhaltete die Entwicklung von hoch effizienten Cash Crops, welche gezüchtet werden, um möglichst schnell, möglichst hohe Erträge zu liefern. Die Umstellung von regionalen Sorten auf überregional verfügbare Sorten und Monokulturen ist einer der Hauptgründe für den Verlust der Agrarbiodiversität.

Neben der gesteigerten Nachfrage für Agrar-Rohstoffe, spielen die Umweltveränderungen und die Änderungen der Nutzungssysteme eine ausschlaggebende Rolle. Sich verändernde wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Produktionsverfahren führen zu einer Vergrößerung der Schläge, Verengung der Fruchtfolge, verstärktem Maschineneinsatz sowie dem Einsatz von Dünge-und Pflanzenschutzmittel. Außerdem wird ein Großteil der Nutzpflanzen an Tiere verfüttert oder für die Biogasanlage genutzt. Der Anspruch an vielseitigen und intensiven Geschmack ist in diesen Fällen komplett nebensächlich.

Auswirkungen auf den Boden und Ökosysteme

Monokulturen mit dem Anbau von Cash Crops führen zwar zu einem höheren Ertrag, jedoch zieht der dauerhafte Anbau Folgen für den Boden und Ökosysteme nach sich. In etwas zwei Drittel des deutschen Ackerbaus sind mit Weizen, Gerste und Raps bedeckt. Diese werden meist jedes Jahr angebaut ohne Zwischenfrüchte oder Untersaaten. Diese Kulturen werden dadurch sehr anfällig für Krankheiten und Schädlinge und vor allem Trockenheit. Sie benötigen immer mehr Wasser, Düngemittel und Pflanzenschutz. Die Folge von so einer intensiven Nutzung sind unfruchtbare Böden, Bodenerosion, sinkende Artenvielfalt und auf Dauer ein geringerer Ertrag.

Lösungsansätze

Um auch in Zukunft die Ernährung der Bevölkerung zu garantieren sind also landwirtschaftliche Systeme nötig, die vielfältig und widerstandsfähig sind. Dabei ist vor allem die Wahl der Kulturpflanzen entscheidend.

Urgetreide Protest

Das Potential von alten Sorten

Sogenanntes Urgetreide wurde in Kleinasien schon vor 10. 000 Jahren angebaut, später jedoch von den ertragreichen Sorten verdrängt. Dabei sind sie mit einem hohen Mineralstoffanteil und einem höheren Proteinanteil nahrhafter als beispielsweise der heutige Weizen. Zu den bekanntesten Urgetreiden gehören Dinkel, Einkorn und Emmer. Weniger bekannt sind Sorten wie Gerste, Kamut, Champagner Roggen und co.. Die alten Sorten sind nicht nur gesund, sie haben auch ein riesen Potential die Landwirtschaft zu verbessern und sich dem Klimawandel anzupassen.

Denn sie sind besonders genügsam was ihre Ansprüche an den Standort und die Nährstoffversorgung angeht. Sie müssen also weniger gedüngt werden als moderne Getreidesorten und sind unempfindlicher gegenüber Schädlingen, Krankheiten und vor allem Klimaextremen. Im Angesicht des Klimawandels also eine echte Chance. Einer der Gründe für ihre Widerstandsfähigkeit ist die Spelze, die Schale die das Korn umgibt. Zusätzlich lässt sich altes Getreide gut in Fruchtfolgen mit Erbsen, Soja und anderen Körnerleguminosen integrieren. Heute werden Urgetreide meist nur in der Biolandwirtschaft angebaut. Die klimatischen Veränderungen und die Verschlechterung der Böden lassen aber auch das Interesse der konventionellen Landwirte wachsen.

Fruchtfolgen und ihre Vorteile

Reden wir von einer nachhaltigen Landwirtschaft wird im gleichen Zuge meist von einer weiten Fruchtfolge gesprochen. Aber was bedeutet das eigentlich?

Die Fruchtfolge beschreibt die Reihenfolge verschiedener Kulturpflanzen, die in mehreren aufeinander folgenden Jahren nacheinander auf einer Fläche angebaut werden. In der Monokultur wird hingegen fünf Jahre in Folge die gleiche Kultur angebaut. Werden Pflanzen immer auf der gleichen Fläche angebaut, entziehen sie dem Boden immer die gleichen Nährstoffe und laugen ihn aus. Durch den Anbau von verschiedenen Nutzpflanzen werden im Boden enthaltene Nährstoffe unterschiedlich auf- und abgebaut. Der Humusgehalt kann also erhöht und die Bodenfruchtbarkeit erneuert werden. Für die Abfolge der angebauten Pflanzen gibt es bestimmte Regeln. Zum Beispiel sollen Pflanzen gleicher Art, Gattung oder Familie nicht nacheinander in zwei aufeinander folgenden Jahren angebaut werden. Welche Pflanzen in die Fruchtfolge aufgenommen werden hängt vom Standort, der Bodenqualität und dem Klima ab.

Eine Vielfalt auf dem Acker und eine überlegte Fruchtfolge ist demnach ausschlaggebend für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Wir als Konsumenten können dies Art von Landwirtschaft fördern, indem wir die Nachfrage nach Nischenprodukten erhöhen. Denn auch Kochen mit unterschiedlichen und neuen Zutaten sowie Aromen macht viel mehr Spaß.

Quellen:


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